Jahresrückblick 2022
Vielfalt im Kino, Gender in Music und Beendigung von Gewalt gegen Frauen: Gemeinsam mit Partner*innen und Verbündeten ist die MaLisa Stiftung 2022 wichtige Schritte zur Förderung von Diversität und Geschlechtergerechtigkeit gegangen. Wir blicken zurück auf ein erfülltes Jahr mit neuen Studien, Veranstaltungen und vielen weiteren Aktivitäten.
Zur Berlinale im Februar wurde die Fortschrittsstudie zur Geschlechterverteilung im deutschen Kino veröffentlicht. Die neuen Ergebnisse im Rahmen der Untersuchung „Vielfalt und Sichtbarkeit: Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität“ der Universität Rostock ergänzen die im Herbst 2021 veröffentlichten Daten zur Diversität im Fernsehen.
Frauen sind im deutschen Kino als Kreative hinter der Kamera weiterhin unterrepräsentiert. Die Filme zeigen inzwischen zwar mehr Frauen in Hauptrollen, aber bilden nicht die Vielfalt von Frauen in der Realität ab. Professorin Dr. Elizabeth Prommer von der Uni Rostock war insbesondere davon überrascht, „wie eng der Erzählkorridor für weibliche Filmfiguren nach wie vor ist. Männer gibt es in vielen Facetten, Frauen nicht.”
„Mehr Frauen, aber nicht weniger Sexismus“, konstatierte Vahabzadeh in ihrem Artikel zur Studie in der Süddeutschen Zeitung. „Man könnte nun fragen: Gehen die Leute wirklich ins Kino, um die Welt dauernd nur genauso zu sehen, wie sie tatsächlich ist? Natürlich nicht. Auch männliche Darsteller müssen häufig Schönheitsidealen entsprechen – nur sind die Regeln da immer noch weicher und realistischer als bei Frauen.“
Im März präsentierte Professorin Dr. Elizabeth Prommer im Rahmen der Tagung Sehen und gesehen werden: Teilhabe im Film weitere Ergebnisse ihrer Untersuchung, die die Dimensionen Migrationshintergrund, ethnische Zuschreibung, sexuelle Orientierung sowie Behinderung in Kinofilmen in den Blick nehmen.
Anschließend diskutierten Elizabeth Prommer, Thelma Buabeng und Maria Furtwängler mit Moderatorin Boussa Thiam die Schieflagen in der Diversität auf den Leinwänden der deutschen Kinos und Lösungsansätze.
In seinem Text zur Tagung auf arteschock bemerkte Sedat Aslan:
„Der deutsche Film ist nach wie vor fixiert auf weiße Geschichten von weißen Menschen mit weißen Problemen, und hat scheinbar kein tiefergehendes Interesse, sich von dieser Nabelschau zu lösen.“ Aslan fordert deutliche Leitlinien und Selbstverpflichtungen. „»Talent is everywhere, opportunity is not« ist einer der zentralen Sätze, die an diesem Wochenende fallen und nachhallen. Die deutsche Filmlandschaft muss diese Impulse aufgreifen.“
Im Mai erschien im Magazin Stiftung & Sponsoring ein Interview mit Stiftungsleiterin Karin Heisecke, in dem sie auf Fragen rund um Feminismus und Philanthropie einging. Gendergerechtigkeit wird in vielen gesellschaftlichen Bereichen nach wie vor nicht als prioritäres Thema anerkannt. Die Prävention von Gewalt gegen Frauen und die Unterstützung von Betroffenen beispielsweise ist ein offensichtliches Thema für Stiftungen, die sich im sozialen Bereich engagieren. Aber wenige sind bisher dazu aktiv. Im Interview besprach Karin Heisecke die Situation im deutschen Stiftungssektor und eröffnete Handlungsmöglichkeiten.
Was bedeutet feministisches Fördern für die praktische Arbeit in Stiftungen? Karin Heisecke führte das Thema im Laufe des Jahres weiter, unter anderem im Webtalk ImpulseStiften, einem monatlichen Format von und für Stiftungen zur Weiterentwicklung der Förderpraxis.
Ein wichtiger Schritt zur Förderung der Diversität in der deutschen Filmbranche wurde im Juli verkündet: Netflix, die Filmhochschulen und die MaLisa Stiftung haben gemeinsam eine Stelle für Diversität und Inklusion ins Leben gerufen. Ziel ist es, nachhaltig für eine breitere und diversere Gruppe talentierter Kreativer im deutschsprachigen Raum zu sorgen, indem bereits Studierende der Filmhochschulen mit den Fähigkeiten für ein vielfältigeres und inklusiveres Geschichtenerzählen ausgestattet werden. Die neu geschaffene Position ist bei der Stiftung angesiedelt und wurde zum 1. Dezember mit Kathrin Tietze besetzt, die langjährige Erfahrung in der Implementierung von Strategien und Richtlinien zu Vielfalt & Inklusion mitbringt.
Stifterin Elisabeth Furtwängler, als Rapperin & Produzentin bekannt unter dem Namen KERFOR, hat die im September veröffentlichte Recherche Gender in Music – Charts, Werke und Festivalbühnen initiiert. Sie wurde in Kooperation mit der GEMA und Music S Women* durchgeführt und untersuchte die Geschlechtergerechtigkeit in den Charts, in Werkanmeldungen der GEMA und auf Festivalbühnen.
Die Stiftung hat damit ihren Schwerpunkt auf Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche weiter ausgebaut, der 2021 mit einer Studie zur Geschlechtervielfalt in der Musikwirtschaft und zur Musiknutzung gesetzt wurde.
Die neuen Erhebungen offenbarten erneut eine deutliche Schieflage. „Die Musikbranche ist weiterhin ein Boys Club“, so Elisabeth Furtwängler, „aber zu wissen, dass Ungerechtigkeiten existieren, ist eine gute Voraussetzung, um Dinge zu verändern.“
„Popkultur mag als Motor gesellschaftlichen Fortschritts und Katalysator emanzipatorischer Bewegungen gelten. `Wenn aber jemand einen gründlichen Blick auf die Verhältnisse jenseits des Rampenlichts wirft, sich hinsetzt und mal ausrechnet, wie die Dinge wirklich stehen, zeigt sich ein anderes Bild“, kommentierte Kristoffer Cornils für ZEIT online die Ergebnisse.
Diskutiert wurden sie unter anderem am 22. September im Rahmen des Reeperbahnfestivals. Anna Groß, Referentin der Stiftung und Leiterin der Recherche sprach auf dem Panel Das Ende vom Buddy Business? Wer gestaltet die Musik der Zukunft? mit Journalist*innen und Branchenvertreter*innen über wirksame Initiativen und Strategien für eine gerechtere Musikbranche.
Die MaLisa Stiftung war an diesem Tag auf Europas größtem Showcase- Festival zum Thema Chancengleichheit mit insgesamt vier Veranstaltungen präsent, darunter ein vielbeachteter Fem* Rap & Production Showcase mit den Rapperinnen Älice, Babyjoy, Nashi44, Vita und KERFOR im Sommersalon am Spielbudenplatz.
Unter dem Zeichen Gender in Music verfolgte Anna Groß das Thema auf Panels bei Fachveranstaltungen weiter, ob im Mai bei der Dialog Pop Fachkonferenz, beim Pop To Go Fachtag im Oktober oder der Musikmesse Most Wanted: Music und dem Branchentreffen Future of Festivals im November.
Die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist Ziel der Stiftung seit ihrer Gründung im Jahr 2016. Die im November 2021 veröffentlichte, von der MaLisa Stiftung & der UFA GmbH initiierte und geförderte Studie Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen der Hochschule Wismar, bietet erstmals einen repräsentativen Überblick darüber, wie audiovisuelle Medien geschlechtsspezifische Gewalt darstellen. Daran knüpften 2022 mehrere Workshops und Branchenveranstaltungen an.
In Kooperation mit dem Grimme Institut und der UFA GmbH fand am 23. September die Diskussionsrunde „Grimme trifft … Tatort Eifel – Geschlechtsspezifische Gewalt in deutschen Krimis“ Im Rahmen des Fachprogramms des Festivals „Tatort Eifel“ statt. Die Kooperationspartner*innen luden außerdem zu der Veranstaltung „Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen“ am 25. Oktober. In der Deutschen Kinemathek sprachen Journalist*innen und Kreative über die Studie und diskutierten Handlungsbedarfe. „Das Fernsehen ist keine Erziehungsanstalt – aber es muss bestehende Stereotype und Hierarchisierungen nicht auch noch verstärken“, kommentierte Susan Vahabzadeh in ihrem Veranstaltungsbericht Sie darf gerne die Leiche sein in der Süddeutschen Zeitung. Darüber hinaus erläuterte Karin Heisecke am 1. Dezember die Studienergebnisse bei “Zur Unterhaltung: Mord! Warum Verbrechen uns faszinieren”, einer Veranstaltung der FSF im Rahmen ihrer Reihe medien impuls.
Anlässlich des Internationalen Tags zur Beendigung von Gewalt an Frauen am 25. November sprach Karin Heisecke im Interview über die Wurzeln der MaLisa Stiftung, die Verantwortung von Medienschaffenden und eine Welt ohne geschlechtsspezifische Gewalt. „Jede Person kann sich jederzeit entscheiden, keine Gewalt auszuüben, selbst wenn sie es bisher getan hat“, so Heisecke. „Die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist machbar. Es ist wichtig, dies nicht aus dem Blick zu verlieren, sondern vielmehr, dass wir alle sehen, welchen Beitrag wir dazu leisten können.“
Auch in einem Gastbeitrag auf Focus online lädt die Stiftungsleiterin dazu ein, sich eine Welt ohne Gewalt gegen Frauen und Mädchen vorzustellen: „Wie werden wir miteinander kommunizieren, wie werden wir uns verhalten, zuhause und im öffentlichen Raum? Was werden wir aufgeben können, was neu beginnen? `Und was werden wir heute schon tun, um dieser Vision näher zu kommen?“Auf den Social-Media-Kanälen der Stiftung ist zum 25. November eine Aktion gestartet, die fragt, wie eine Welt ohne Gewalt aussehen wird. Den Anfang machten Co-Gründerin Maria Furtwängler, Schauspielerin Natalia Wörner und Karin Heisecke. Weitere Statements folgen im nächsten Jahr. Wir werden uns dieser Frage im Verlauf des kommenden Jahres widmen, um bis zum 25. November 2023 eine vielfältige Sammlung von Perspektiven und Visionen zu veröffentlichen. Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit Wegbegleiter*innen, alten und neuen Freund*innen, Verbündeten und Journalist*innen zu einer nachhaltig gerechteren Gesellschaft beizutragen.