Freitag, 1. Dezember 2017

Die Verantwortung von Politik, Medien – und uns allen

Entwicklungsminister Gerd Müller mit Maria Furtwängler. © Ute Grabowsky / photothek.net

Anlässlich des internationalen Tages zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November 2017 sprach Maria Furtwängler auf der Konferenz „Gewalt gegen Frauen und Mädchen erfolgreich verhindern: Prävention im internationalen Kontext“ über die Verantwortung der Medien in der Darstellung und Berichterstattung.

 

Die Konferenz wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ausgerichtet und fand am 23. November in Berlin statt. Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller stellte dort einen 5-Punkte-Plan vor, mit dem die deutsche Entwicklungspolitik in ihren Partnerländern Frauen besser vor Gewalt schützen will. Darin verspricht das BMZ, keine Frau alleine zu lassen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

 

Der Minister wies in seiner Begrüßungsansprache darauf hin, dass jede dritte Frau weltweit im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt erfährt. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern herrschen aufgrund von struktureller Gewalt gegen Frauen noch dramatischere Zustände. Themen, die das BMZ vornehmlich angeht, sind Genitalverstümmelungen (200 Mio. betroffene Frauen), Zwangsheirat von Mädchen (250 Mio. Betroffene), Vergewaltigung als Kriegswaffe und Zwangsprostitution.

 

Das BMZ möchte dazu beitragen, dass in den betroffenen Ländern, auch bei den Regierenden, ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass jeder einzelne Mensch ein Recht auf ein Leben in Würde hat, dass Mädchen und Frauen, Jungen und Männer gleichberechtigt sind. Gleichzeitig sollen Frauen und Mädchen gestärkt werden, indem ihnen gleichberechtigt Zugang zu Schule, Bildung, Arbeit und ganz allgemein Lebenschancen gegeben wird. „Das ist ein Schlüssel zu einem selbstbestimmteren Leben“, so Minister Müller.

 

Er ging auch auf die Rolle der Medien ein und verwies darauf, dass bereits während seiner Studienzeit ein Kind zwischen fünf und fünfzehn Jahren 15.000 Morde und Vergewaltigungen im Fernsehen und im Kino gesehen habe. Heute dürfte die Zahl um ein Vielfaches höher sein. „Dies führt zu Verrohung, zur Herabsetzung der Hemmschwelle und letztendlich zu Verhaltensänderungen. Ein Thema, dem wir uns in Wissenschaft und Politik annehmen müssen“, so Müller.

 

Maria Furtwängler stellte sich in ihrem Vortrag die Frage, warum Frauen sich so schwer damit tun, das Thema Gewalt mit der Dringlichkeit zu behandeln, das es verdiene. „Ist es, weil wir keine Lust haben uns wieder in der Opferrolle zu sehen?“, fragt sie. „Oder sind wir schlicht und einfach so daran gewöhnt, dass wir es als normal empfinden: so ist die Welt eben, so sind Männer, so sind Frauen.“ Und sie fragt weiter, forscht nach den Ursachen dafür: „Woher kommt überhaupt unsere Vorstellung von dem was wir als ‚normal‘ empfinden? Einerseits prägt uns unser unmittelbares Umfeld, unsere Familie. Andererseits prägen uns die Bilder, die uns durch die Medien vermittelt werden.“ Und sie kommt zu dem Schluss, dass die Bilder, die ständig, über egal welches Medium konsumiert werden, einen starken Einfluss auf den Zuschauer und die Zuschauerin haben. Und wenn es um die Rolle der Medien in Bezug auf die Diskriminierung von Frauen geht, diese noch zu wenig beachtet wird.

 

In ihrer Argumentation warum das so sei, griff sie auf die Erkenntnisse der von ihrer MaLisa Stiftung initiierten Studie „Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland” zurück, die empirisch belegt, dass Frauen einerseits weniger vorkommen, vor allem als Expertinnen, und in der Regel tradierte Rollenbilder verkörpern. „Wir finden in der Fiktion genau das gleiche Missverhältnis wieder wie in der Information. In der gleichen Proportion!“, betonte sie, aber es gibt noch ein anderes Grundmuster: „Männer haben das Wissen und sie erklären uns als Sprecher und als Experten die Welt. Frauen sind, wenn sie vorkommen, jung und meist im Beziehungskontext zu sehen.“ Dass Bilder wirken, lässt sich auch positiv erkennen.

 

Der Anteil an Forensik-Studentinnen in USA ist auf 75 Prozent gestiegen nachdem die Serie „CSI“ zum Hit wurde, in der es nur Gerichtsmedizinerinnen gibt. Und nach den Filmen „Tribute von Panem“ und „Merida, Legende der Highlands“ entwickelte sich Bogenschießen bei Mädchen zum am schnellsten wachsenden Sport in Amerika. Daher ihre Schlussfolgerung: „Wir sollten also anfangen, uns stärker mit der Wirkungsmacht von Bewegtbild auseinanderzusetzen – und sie stärker in unserer Arbeit für Gleichberechtigung und für die Beendigung von Gewalt gegen Frauen zu nutzen.“ Das fängt schon mit Begrifflichkeiten an und welche Haltung man entwickelt. „Warum wird in der Berichterstattung über sexuelle Übergriffe häufig von „Sexskandalen“ gesprochen, wenn es in Wirklichkeit nicht um Sex, sondern um sexualisierte Gewalt geht?“, fragt Maria Furtwängler. „Wie wird über Gewalt gegen Frauen bei uns, in westlichen Ländern berichtet und wie über Gewalt in Ländern in anderen Teilen der Welt? Dies sind Fragen, die wissenschaftlich noch genauer betrachtet werden müssen.“

 

Gewalt gegen Frauen und Mädchen, so eine Schlussfolgerung, kann nur wirksam verhindert werden, wenn eine Veränderung in der Gesellschaft angestoßen wird. „Dafür müssen wir die Medienmacher und -macherinnen in die Pflicht nehmen, sich ihrer Verantwortung zu stellen“, ruft Maria Furtwängler ihr Publikum auf.

 

Im Programm der Konferenz folgten Beiträge von Dr. Lea Ackermann, Ordensschwester und Gründerin der Organisation „Solidarity with Women in Distress“ (SOLWODI), die sich gegen Frauenhandel und Zwangsprostitution einsetzt, und Kalliope Mingeirou von UN Women, die die Arbeit der Vereinten Nationen zur Prävention von Gewalt gegen Frauen präsentierte. Im Anschluss diskutierte Maria Furtwängler mit ihnen und weiteren Expertinnen in der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Was wissen wir zur Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen?”.

 

Dr. Christine Brendel, Leiterin des Regionalprogramms ComVoMujer in Lateinamerika, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Tina Musuya, Geschäftsführerin des Center for Domestic Violence Prevention (CEDOVIP, Uganda) teilten ihre Erfahrungen mit vielversprechenden und erfolgreichen Strategien aus verschiedenen Regionen, und Dr. Birgit Schweikert, Unterabteilungsleiterin für Gleichstellung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), machte die Verbindung zwischen der globalen und der nationalen Dimension in der Beendigung von Gewalt gegen Frauen deutlich.