„Wenn wir Gewalt gegen Frauen verzerrt darstellen, sind wir Teil des Problems“
Wie stellen audiovisuelle Medien geschlechtsspezifische Gewalt dar? Im Vorfeld des „Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen“ lenken die MaLisa Stiftung und die UFA GmbH die Aufmerksamkeit auf diese wichtige, aber bisher unterbeleuchtete Frage. Eine von ihnen geförderte Medieninhaltsanalyse liefert erstmals einen Überblick über die Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt im deutschen TV.
Hinsichtlich geschlechterbasierter Gewalt besteht auch in Deutschland akuter Handlungsbedarf: Jede dritte Frau hat mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexualisierter Gewalt erlebt. Eine wichtige Rolle kommt dabei der Frage zu, wie Medien das Thema aufgreifen und darstellen. In Deutschland gab es bisher nur wenige Studien dazu.
Vor diesem Hintergrund haben die MaLisa Stiftung und die UFA GmbH die Studie „Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen. Eine Medieninhaltsanalyse“ initiiert und gefördert, die heute veröffentlicht wurde. Sie bietet erstmals einen Überblick über die Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt im deutschen TV. Die Studie wurde von Prof. Dr. Christine Linke und Ruth Kasdorf M.A. durchgeführt und ist ein Kooperationsprojekt der Hochschule Wismar und der Universität Rostock. Analysiert wurde eine repräsentative Stichprobe der Programme von acht TV-Sendern (Das Erste, ZDF, RTL, RTL2, Vox, ProSieben, SAT1 und Kabel Eins), die 2020 zwischen 18 und 22 Uhr ausgestrahlt wurden.
Zentrale Ergebnisse:
- Geschlechtsspezifische Gewalt kommt in rund einem Drittel (34 %) der Sendungen vor. Häufig handelt es sich dabei um explizite und schwere Gewalt gegen Frauen und Kinder.
- Sie wird in unterschiedlichen Programmsparten und Genres dargestellt, am häufigsten jedoch in fiktionalen Programmen (66 %). Innerhalb dieser kommt sie meist in Krimi-Serien (26 %) und Spielfilmen (13 %) vor.
- Die Betroffenen von geschlechtsspezifischer Gewalt kommen nur in 8 Prozent der Darstellungen ausführlich selbst zu Wort.
- Bei der Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt im deutschen TV fehlen häufig
- Vorabwarnungen über den Inhalt,
- Hinweise auf Hilfsangebote für Betroffene,
- die Beschreibung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und
- eine stärkere Einbeziehung der Betroffenen-Perspektive.
Dazu Studienleiterin Prof. Dr. Christine Linke: „Geschlechtsspezifische Gewalt ist vielfach im deutschen Fernsehen sichtbar, die Perspektive von Betroffenen steht aber nur selten im Zentrum. Besonders ernüchternd ist, dass Möglichkeiten der Prävention und Hilfsangebote kaum vermittelt werden. Die Studie zeigt klar: Es besteht Handlungsbedarf. Über geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen müssen wir diskutieren.“
Maria Furtwängler, Co-Gründerin der MaLisa Stiftung: „Medien prägen unsere Wahrnehmung der Realität. Wir als Medienschaffende tragen dadurch eine besondere Verantwortung, gerade bei einem gesellschaftlich so dringlichen Thema wie Gewalt gegen Frauen. Wenn wir diese verzerrt darstellen, werden wir eher ein Teil des Problems, dabei können und sollten wir Teil der Lösung sein. Die Ergebnisse der Studie geben uns viele Impulse für unser zukünftiges Handeln. Ich danke unseren Partner*innen, den Initiator*innen von #sicherheim, der UFA und Natalia Wörner, sowie Anika Decker und Soroptimist International Deutschland für ihre wichtige Unterstützung für diese Initiative.”
Joachim Kosack, Geschäftsführer UFA GmbH: „Als Produktionsfirma rütteln uns die Ergebnisse der Studie ‚Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen‘ auf. Gerade weil die erzählerische Form des Krimis auch bei uns einen großen Raum einnimmt. Aber nicht nur beim Krimi achten wir zu wenig auf das Thema. Bei der Entwicklung unserer Stoffe reflektieren wir viel zu wenig, dass immer wieder stereotypisierte Erzählmuster wiederholt werden bzw. nicht in einen Kontext gesetzt werden, der diese Muster dramaturgisch einordnet. Wir werden uns in Workshops intern damit verstärkt auseinandersetzen, um unserer Verantwortung als Medienschaffende gerecht zu werden. Darum danke an die MaLisa Stiftung und alle, die diese Studie initiiert, unterstützt und durchgeführt haben.“
Ein ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse ist hier abrufbar. Die Ergebnisse der Hochschule Wismar stehen hier zum Download bereit.