Dienstag, 23. Juli 2024

BEENDIGUNG VON GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN

© Sophie Wanninger / Filmfest München von links: Julia Weigl, Heike-Melba Fendel, Elsa van Damke, Maria Furtwängler, Marie-Lou Sellem, Saralisa Volm und Sabrina Courtial

Gewalt im Film – der weibliche Blick

Am 03.07.2024 fand der Filmtalk: Gewalt im Film – Der weibliche Blick auf dem 41. Filmfest München statt. Saralisa VolmMarie-Lou SellemElsa van Damke und Sabrina Courtial vom Frauennotruf München sprachen über die Darstellung von Frauen im Film, über Hürden in der Branche, Wut und darüber, warum jetzt genau die richtige Zeit ist, wieder mehr zu kämpfen.


„Das wäre so, in dieser Runde, vor 10 Jahren nicht möglich gewesen“
Mit diesen Worten eröffnete Heike-Melba Fendel das Panel Gewalt im Film – Der weibliche Blick auf dem Filmfest München. Sie moderierte die Diskussion, die sich mit einem brisanten und wichtigen Thema auseinandersetzt: der Darstellung von Gewalt in Filmen aus weiblicher Perspektive. Die Filmbranche, lange Zeit fest in männlicher Hand, hat durch soziale Bewegungen wie ProQuote Regie – ein Verein, der sich für mehr Frauen in der Filmproduktion einsetzt – und die #MeToo-Bewegung Veränderungen erfahren. Diese Kämpfe haben es ermöglicht, dass Geschichten nun verstärktaus der Sicht von Frauen erzählt werden können. Auf dem Panel teilten die Speakerinnen ihre Erfahrungen und Perspektiven, sowohl hinsichtlich der Hindernisse auf ihrem Weg als auch der Gewalt, die in Filmen dargestellt wird.


Der Filmtalk, organisiert von Julia Weigl und initiiert von Maria Furtwängler, Schauspielerin und Co-Gründerin der MaLisa Stiftung, rückt sexualisierte Gewalt in den Fokus. Ob im Netz, auf der Straße oder im eigenen zuhause: Jede dritte Frau in Deutschland erlebt körperliche und/oder sexualisierte Gewalt. 


Eine von der MaLisa Stiftung und der UFA initiierte Studie, Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen, zeigt, wie dies medial aufgearbeitet wird: In jeder dritten Sendung wird geschlechtsspezifische Gewalt dargestellt, doch in nur 8% der Fälle wird die Perspektive des Opfers eingenommen. Trigger-Warnungen oder Hilfsangebote werden nur selten geschaltet. Oft werden diese Geschichten als tragische Einzelfälle inszeniert, ohne auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einzugehen, die solche Gewalt ermöglichen. Filmemacher*innen tragen eine große Verantwortung, diese Darstellungen sensibel und kontextualisiert zu inszenieren. Für einen Perspektivwechsel ist der weibliche Blick essenziell.

© Sophie Wanninger / Filmfest München von links: Heike-Melba Fendel, Elsa van Damke, Saralisa Volm, Marie-Lou Sellem, und Sabrina Courtial


Elsa van Damke erzählt in „Angemessen Angry“ die Geschichte eines Zimmermädchens, das vergewaltigt wird, daraufhin Superkräfte entwickelt und auf einen Rachezug geht, inszeniert als Dramedy. „Wir haben die Macht gespürt, auch den ein oder anderen Witz zu machen“, sagt van Damke und beschreibt die Inszenierung mit Humor als einen Ablenkungsmechanismus, der es ihr überhaupt ermöglicht, das Thema mit einer „angemessenen Angriness“ zu betrachten. 


Auf dem Panel und in ihrer Serie thematisiert van Damke den Austausch mit Angehörigen und Vertrauten nach einem sexuellen Übergriff, aber auch die Aufarbeitung durch die Polizei und die fehlende Sensibilität dabei. „Das Thema mal auf so eine Art aufzugreifen, tut gut und fühlt sich eher ermächtigend an, obwohl auch die Ohnmacht gezeigt wird“, entgegnete Sabrina Courtial und lobte die Inszenierung der Reaktionen von Angehörigen. 


Immer wieder müssen sich Opfer von sexualisierter Gewalt vor Gesellschaft, Polizei und dem Rechtssystem rechtfertigen. Das kennt Courtial vom Frauennotruf München. Als anonyme Beratungsstelle nach sexuellen Übergriffen und Gewalt steht die Organisationen Frauen beiseite. Sie sieht die Aufgabe des Films vor allem darin, über Vergewaltigungsmythen aufzuklären, Macht- und Abhängigkeitssysteme herauszustellen, zu sensibilisieren und dabei immer zu unterstreichen, dass es nicht die Aufgabe der Frau sein kann – sondern eine der Gesellschaft sein muss – Positionen zu stärken und sich gegen Gewalt einzusetzen.Einiges greift der Film „Am Ende der Wahrheit“ von Saralisa Volm auf. Mit Unterstützung einer Intimitätskoordinatorin am Set entschied sich die Regisseurin, eine Vergewaltigungsszene zu zeigen. 

Am Vortag des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen haben Women in Film & Television Germany (WIFT), die MaLisa Stiftung und der Bundesverband Schauspiel (BFFS) im Jahr 2023 ein Impulspapier zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt in Kino, Streaming und Fernsehen veröffentlicht.