Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten

"ALLES SO SCHÖN BUNT HIER"?

Welche Geschlechterbilder zeigen Serien von Streaming- und SVOD-Anbietern, die in Deutschland ausgestrahlt werden? Wie oft sind Männer, Frauen und nicht-binäre Personen in zentralen Rollen zu sehen? Wie werden sie dargestellt? Diesen Fragen geht eine von der Film- und Medienstiftung NRW, dem ZDF und der MaLisa Stiftung geförderte Studie nach. Sie bietet erstmals eine Bestandsaufnahme, auch im Hinblick auf ethnische Diversität und sexuelle Orientierung. 

Die Studie „Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten“ wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Elizabeth Prommer am Institut für Medienforschung der Universität Rostock durchgeführt.

 

Sie liefert erstmals eine Bestandsaufnahme der Darstellungen hinsichtlich Geschlecht, sexuelle Orientierung und ethnische Zuschreibung in den fiktionalen seriellen Auftragsproduktionen (SVOD Originals) der am deutschen Markt tätigen Streaming- und Subscription Video on Demand-Plattformen.

 

Untersucht wurden knapp 200 Serien von Anbietern wie Netflix, Amazon Prime, Sky und TNT Deutschland, die zwischen Januar 2012 und Juli 2019 auf den Plattformen veröffentlicht wurden. Dabei handelt es sich sowohl um deutsche als auch um Produktionen aus anderen Ländern.

 

Gefördert und unterstützt wurde die Studie durch die Film- und Medienstiftung NRW, das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) und die MaLisa Stiftung. Die Ergebnisse wurden am 22. Oktober 2020 veröffentlicht.

Die Ergebnisse der Studie im Einzelnen:

1. Die untersuchten Streaming-Angebote zeigen insgesamt vielfältige sexuelle Lebensentwürfe.

  • Unter den Figuren, bei denen eine sexuelle Orientierung erkennbar ist, sind 9 Prozent LSBQ (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Queer).
  • Zum Vergleich: In einer repräsentativen Studie (Dalia Research 2016) bezeichneten sich rund 7 Prozent der Befragten in Deutschland als LSBT-Personen (Lesbisch, Schwul, Bi, Trans).

2. In Bezug auf ethnische Zuschreibung sind die untersuchten Streaming-Angebote insgesamt divers. In nationalen Kontexten überwiegt die Sichtbarkeit der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung.

  • Rund 63 Prozent der zentralen Rollen in global produzierten Streaming-Angeboten sind „weiß“ besetzt. Des Weiteren sind circa 12 Prozent Latino/Latina repräsentiert. Weitere 10 Prozent sind als asiatisch zu lesen, 8 Prozent als Schwarz. 3 Prozent können Südasien und 2 Prozent dem Mittleren Osten zugeordnet werden.
  • In nationalen Kontexten überwiegt die Sichtbarkeit der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung. In deutschen Produktionen sind 89 Prozent der zentralen Rollen "weiß" besetzt, keine ist als Schwarz oder asiatisch zu lesen, 11 Prozent können dem Mittleren Osten zugerechnet werden.

3. Frauenfiguren sind auch in Streaming-Angeboten unterrepräsentiert. Nicht-binäre und Personen mit anderen Geschlechtsidentitäten kommen kaum vor.

  • Deutsche Produktionen zeigen am wenigsten Frauen: Der Frauenanteil in zentralen Rollen beträgt 35 Prozent. In asiatischen Produktionen sind rund 45 Prozent der zentralen Rollen weiblich, in nordamerikanischen 43 Prozent, in süd- und mittelamerikanischen sind es rund 39 Prozent.
  • In europäischen Produktionen (ohne Deutschland) beträgt der Frauenanteil in zentralen Rollen rund 42 Prozent. Der Durchschnittswert für alle untersuchten Produktionen liegt ebenfalls bei 42 Prozent.
  • Nicht-binäre und Personen mit anderen Geschlechtsidentitäten kommen kaum vor. Sie sind in den Produktionen aller Länder nur in neun von 1.911 Fällen (0,5 %) in zentralen Rollen zu sehen. In deutschen Produktionen sind sie gar nicht vertreten.

4. In Streaming-Angeboten gibt es einen deutlichen Altersgap – über alle Länder hinweg.

  • Ist das Verhältnis zwischen Frauen und Männern bis 34 Jahren in zentralen Rollen noch ausgewogen, kommen in der Altersgruppe zwischen 35 bis 49 Jahren fast doppelt so viele Männer auf eine Frau. Ab 50 Jahren liegt das Verhältnis zwischen Frauen und Männern bei rund 1:3.

5. Frauen werden in Streaming-Angeboten entlang tradierter Geschlechterbilder besetzt.

  • Während in Romantik-Formaten rund 49 Prozent der zentralen Rollen weiblich besetzt sind, sind es in politischen, Action- und Abenteuer-Formaten nur knapp 36 Prozent.

6. Die Vielfalt von Frauen in Streaming-Angeboten ist insgesamt eingeschränkt, Geschlechterstereotype bleiben verankert.

  • Frauen kommen seltener vor, sind jung und werden seltener homosexuell dargestellt als Männer. Zentrale Rollen zeigen Frauen zu 4 Prozent als homosexuell, Männer hingegen zu 7 Prozent.
  • Frauen haben genormte schlanke Körper. In zentralen Rollen sind sie mit 16 Prozent doppelt so oft sehr dünn wie Männer mit 8 Prozent.
  • Zudem treten Frauen in Berufen auf, die ihre emotionale Kompetenz betonen. Berufsfelder wie Verkauf und Gesundheit sind in zentralen Rollen zu rund 2/3 mit Frauen und damit doppelt so oft wie mit Männern besetzt. Demgegenüber sind rund 90 Prozent der Figuren, die der organisierten Kriminalität zugerechnet werden können, männlich.

7. Streaming-Angebote werden vor allem von Männern gemacht.

  • Die kreativen Teams sind männerdominiert. Das zieht sich durch alle Bereiche: von Produktion über Kameraführung bis hin zu Drehbuch und Regie. Am deutlichsten zeigt sich das in den Bereichen Kamera und Regie. Hier beträgt der Männeranteil 90 beziehungsweise 78 Prozent.

GRAFIKEN ZUR STUDIE:

Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten

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