Diversität im deutschen Film
Eine neue Analyse der Universität Rostock ist der Frage nachgegangen, ob Frauen und Männer im deutschen Kino gleichermaßen repräsentiert sind. Die Untersuchung wurde mit der MaLisa Stiftung sowie ihren Partnerinstitutionen auf den Weg gebracht. Die Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität, die von Professorin Elizabeth Prommer vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock geleitet wurde, zeigt, dass der Anteil von Frauen auf der Leinwand seit 2017 zwar zugenommen hat. Allerdings sind Frauen weiterhin weniger vielfältig sichtbar.
Eine erste Erhebung von 2017 hat gezeigt, dass die Zahl der Frauen und Männer, die auf der Kinoleinwand zu sehen sind, ungleich verteilt ist. Die aktuelle Analyse von Geschlechterdarstellungen in deutschen Kinofilmen von 2017 bis 2020 stellt nun heraus, dass Frauen zwar inzwischen fast ebenso häufig als Protagonistinnen sichtbar sind wie Männer, weiterhin jedoch weniger vielfältige Rollen besetzen.
Zur Methodik:
Für die Analyse wurden alle 390 majoritär deutschen Spielfilme mit 851 Protagonist*innen, die in den Jahren 2017 bis 2020 uraufgeführt wurden, nach Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung, Behinderung, Migrationshintergrund und "ethnische Herkunft" der Protagonist*innen untersucht.
Vertiefend wurden die jeweils 100 erfolgreichsten Arthaus- und Mainstream-Kinofilme untersucht. Für diese Filme wurde anhand des Bechdel-Wallace-Test untersucht, inwieweit Frauen auf Partnerschaft und Beziehung mit Männern reduziert werden.
In der Stichprobe konnten nicht-binäre und Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten so gut wie nicht identifiziert werden. Die Ergebnisse werden deshalb nur nach Männern und Frauen ausgewiesen.
ZENTRALE ERGEBNISSE
Nahezu ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei den Hauptrollen:
In den Jahren 2017-2020 hatten annähernd gleich viele Frauen (47%) wie Männer (53%) eine zentrale Rolle. Dies entspricht einem Zuwachs von 5%.
Frauen werden noch immer eingeschränkt inszeniert:
Es gibt weiterhin einen Alters-Gap: Frauen in der Altersgruppe bis Mitte 30 kommen gleich häufig vor, dann sukzessiv seltener. Das größte Ungleichgewicht besteht in der Altersgruppe 50plus Jahre. Hier werden 70% der zentralen Filmrollen von Männern verkörpert.
Protagonistinnen sind im Gegensatz zu Protagonisten nie übergewichtig und fast drei Mal so häufig (sehr) dünn.
Bei männlichen Hauptfiguren ist der Beruf häufiger erkennbar als bei weiblichen und die Position häufiger gehoben.
Frauen kommen nach wie vor häufiger im Kontext von Partnerschaft und Beziehung vor.
Frauen sind als Kreative unterrepräsentiert:
25% der Filme wurden von Frauen inszeniert.
Bei 24% der Filme hat eine Frau das Drehbuch verfasst, bei 58% ein Mann. Bei 18% der Drehbücher waren gemischte Teams verantwortlich, somit waren Männer an 76% der Drehbücher beteiligt.
Für die Sichtbarkeit von Protagonistinnen spielt das Geschlecht des kreativen Teams eine Rolle. Je mehr Frauen in verantwortlicher Position sind, desto mehr Frauen sind im Film zu sehen.
Führt eine Frau Regie, dann sind die Themen der Frauenfiguren erweitert. In diesem Fall bestehen 90% der Filme den Bechdel-Wallace-Test. Der Bechdel-Wallace-Test untersucht, inwieweit Frauen auf Partnerschaft und Beziehung mit Männern reduziert werden.
Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität im Kino | MÄRZ 2022
Ergänzende Ergebnisse nehmen zusätzlich die Dimensionen Migrationshintergrund, ethnische Zuschreibung, sexuelle Orientierung und Behinderung in den Blick. Sie zeigen einen deutlichen Mangel an Diversität im deutschen Kino.
Die von Professorin Elizabeth Prommer vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock geleitete Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität ist um aktuelle Ergebnisse ergänzt worden. Es wurden die Sichtbarkeit und Darstellung der Vielfaltsdimensionen Migrationshintergrund, ethnische Zuschreibung*, sexuelle Orientierung und Behinderung in deutschen Kinofilmen von 2017 bis 2020 untersucht. Die Ergebnisse wurden am 25.3.2022 im Vorprogramm der Tagung des FILMFEST MÜNCHEN und der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema Sehen und gesehen werden. Teilhabe im Film präsentiert. Die Veranstaltung war als Livestream öffentlich zugänglich.