Geschlechterverteilung in der Corona-Berichterstattung

Wer wird in Krisenzeiten gefragt?

Wie steht es um die Geschlechtergerechtigkeit in der Corona-Berichterstattung im Fernsehen und in den Online-Auftritten von Printmedien in Deutschland? Wie oft kommen Frauen und Männer zu Wort? Wie oft und zu welchen Themen werden sie als Expert*innen befragt? Diesen Fragen gehen zwei Studien der MaLisa Stiftung nach.

Die Corona-Pandemie, die seit März 2020 auch Deutschland erfasst hat, beeinflusst alle Bereiche des Lebens. Dabei werden auch die unterschiedlichen Auswirkungen der Krise auf Frauen und Männer deutlich. Dies betrifft auch die mediale Begleitung der Gesundheitskrise in Deutschland.

 

Um diese außergewöhnliche Situation genauer zu analysieren, hat die MaLisa Stiftung zwei Studien beauftragt: Prof. Dr. Elizabeth Prommer und Julia Stüwe vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock haben die Fernsehberichterstattung untersucht. Der Daten-Forscher und Urheber des Gender Equality Tracker, Max Berggren, hat die Berichte in den Online-Auftritten von Printmedien ausgewertet.

 

Für die TV-Berichterstattung analysierten die Rostocker Forscherinnen Informationssendungen mit Corona-Bezug, die zwischen dem 16. und 30. April 2020 ausgestrahlt wurden. Max Berggren wertete für denselben Zeitraum die Berichte in den Online-Ausgaben von dreizehn Printmedien aus.

 

Die vollständigen Ergebnisse der Studien finden Sie hier.

Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse

 

  1. In den TV-Formaten war nur eine von fünf Expert*innen weiblich (22%). In der Online- Berichterstattung wurden Frauen nur zu rund 7 Prozent als Expertinnen erwähnt.
  2. Als Mediziner*innen kamen vor allem Männer zu Wort – obwohl fast die Hälfte aller Ärzt*innen in Deutschland weiblich ist. Von den im TV befragten Ärzt*innen ohne Leitungsfunktion war nur eine von fünf weiblich.
  3. Insgesamt kamen sowohl im Fernsehen als auch in den Online-Berichten der Printmedien mit Corona-Bezug auf eine Frau zwei Männer.

Die Ergebnisse der Studien im Einzelnen:

BERICHTERSTATTUNG IN TV-INFORMATIONSSENDUNGEN

1. Insgesamt kamen über alle Themen hinweg auf eine Expertin vier Experten

  • Am seltensten war die Expertise von Frauen in Nachrichten und Sondersendungen gefragt. Hier kamen auf eine Expertin vier Experten. Etwas häufiger kamen Expertinnen in Talksendungen zu Wort, wobei auch hier auf eine Frau mehr als zwei Männer kamen (28% zu 72%).
  • Selbst zu den Themenbereichen Pflege und Medizin, in denen überwiegend Frauen tätig sind, wurden sie nur zu 17 Prozent befragt und kamen damit besonders selten als Expertinnen zu Wort.
  • Am häufigsten wurden Frauen als Expertinnen für die Bereiche Bildung (45%) und Soziales (31%) herangezogen.

2. Nur eine von fünf befragten Ärzt*innen ohne Leitungsfunktion aus Praxen und Kliniken war weiblich

  • Bei Ärzt*innen und Forscher*innen mit Leitungsfunktion (wie Chefärzt*innen oder Institutsleiter*innen) lag der Frauenanteil bei nur 5 Prozent.
  • Bei den befragten Virolog*innen ohne Leitungsfunktion betrug der Frauenanteil 27 Prozent, bei denen mit Leitungsfunktion nur 7 Prozent. Im Bereich der Epidemiologie und Infektionsforschung waren 94 Prozent der Befragten ohne Leitungsfunktionen männlich.
  • Zum Vergleich: Frauen stellten 2018 einen Anteil von 47 Prozent aller Ärzt*innen in Deutschland. Im Bereich der Virologie, Infektionsepidemiologie und Mikrobiologie ist der Frauenanteil ähnlich hoch (45 Prozent). Quelle: destatis / Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) 2018

3. Insgesamt kamen doppelt so viele Männer wie Frauen zu Wort (67% zu 33%)

  • In Nachrichten- und Talkformaten waren 30 Prozent der Hauptakteur*innen weiblich, in Sondersendungen 33 Prozent.
  • In den Magazin-Sendungen, Reportagen und Dokumentationen waren Frauen mit 41 Prozent als Hauptakteurin vertreten.
  • Bei Journalist*innen, Reporter*innen und Nachrichtenmoderator*innen entsprach der Frauenanteil in den Sendungen mit 52 Prozent in etwa dem der Bevölkerung. In den anderen Kategorien lag der Frauenanteil deutlich niedriger.

Methodik

  • Untersuchte Sender: ARD-Das Erste, ZDF, RTL, Sat.1
  • Untersuchte Sendungen: Informationssendungen ab 18h (Nachrichten, Sondersendungen, Talkshows, Magazine und Reportagen). Insgesamt wurden 174 Sendungen mit Corona-Bezug analysiert.
  • Untersuchte Personen: Erfasst wurden Hauptakteur*innen (insgesamt 2.240). Dazu zählen sowohl Medienschaffende (Journalist*innen, Reporter*innen, Nachrichtenmoderator*innen und Talkshow-Hosts) als auch Expert*innen und Alltagspersonen, die zentral im Bild waren und namentlich genannt wurden.
  • Die Daten für die insgesamt 1.299 Expert*innen, die als solche zu unterschiedlichen Themenbereichen mit Corona-Bezug in den Sendungen eingeführt wurden, sind in den Ergebnissen gesondert aufgeführt.
  • Gezählt wurden auch nonbinäre, diverse oder andere geschlechtliche Identitäten. Da ihr Anteil bei 0 Prozent lag, erscheinen sie nicht in der Aufbereitung der Ergebnisse.

Berichterstattung in Online-Auftritten von Printmedien

  • Insgesamt kamen in der Berichterstattung mit Corona-Bezug in den untersuchten Online-Medien rund 30 Prozent Frauen und 70 Prozent Männer vor.
  • Als Expertin wurden Frauen nur zu rund 7 Prozent in den Online-Berichten erwähnt. Als Forscherin kamen sie zu rund 5 Prozent vor. Als Virologin wurden sie zu 4 Prozent genannt.

Methodik

  • Analyse der Berichte mit Corona-Bezug in den Online-Ausgaben von 13 Printmedien (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Focus, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt, Neues Deutschland, Nordbayern- Kurier, Spiegel, Stern, Stuttgarter Nachrichten, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, taz, Welt)
  • Insgesamt wurden 79.807 Artikel untersucht.
  • In einer automatisierten Analyse wurden die in der Corona-spezifischen Berichterstattung vom 16. bis 30. April 2020 genannten Personen nach Geschlecht erfasst.
  • Zudem wurde erhoben, wie häufig die folgenden Begriffe in den Berichten mit Corona-Bezug vorkamen: Experte/n, Expertin/nen, Virologe/n, Virologin/nen sowie Forscher, Forscherin/nen.

Grafiken zu den Studien:

Corona-Berichterstattung im TV

Corona-Berichterstattung in Online-Auftritten von Printmedien

Geschlechterverteilung in der Corona-Berichterstattung

Wer wird in Krisenzeiten gefragt?

Studie Geschlechterverteilung in der Corona Berichterstattung

Grafiken zur Studie

Pressemitteilung zur Studie